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7.03.2024

Interview mit Philipp Schmidlin

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Seit fast einem Jahr hast du die künstlerische Leitung des Chors Audite Nova Zug inne. Wie war für dich der Einstieg in diese neue Aufgabe?
Der Einstieg war für mich sowohl menschlich als auch musikalisch sehr bereichernd. Ich habe mich sofort wohl gefühlt im Chor, da ich von Anfang an sehr warmherzig aufgenommen wurde. Diese herzliche Atmosphäre hat es mir leicht gemacht, mich schnell in das Ensemble einzufinden.

Am 9. und 10. Dezember 2023 hast du mit dem stimmungsvollen Weihnachtskonzert «A Ceremony of Carols» dein Debüt als künstlerischer Leiter des Chors Audite Nova Zug gegeben. Das äusserst positive Echo zum Konzert zeigt, dass der Einstieg geglückt ist. Hat man auch als Profimusiker in solch neuen Situationen Lampenfieber?
Vor dem ersten Konzert hatte ich etwas Lampenfieber, das jedoch verflog, sobald ich in die Musik eintauchte. Die grösste Nervosität empfinde ich allgemein bei Ansagen. Ich lasse lieber meine Hände sprechen.

Am 16. und 17. März 2024 wird der Chor Audite Nova Zug Antonín Dvořáks grossartiges Werk «Stabat Mater» in der Pfarrkirche Unterägeri aufführen zusammen mit der Philharmonie Südwestfalen und den Solisten Goar Badalian (Sopran), Freya Apffelstaedt (Alt), Luca Bernard (Tenor), und Jonas Jud (Bass). Worauf dürfen sich die Konzertbesucherinnen und -besucher freuen?
Die Konzertbesucherinnen und -besucher dürfen sich auf ein zutiefst berührendes Werk freuen. Es ist das erste kirchenmusikalische Werk des Komponisten und von persönlicher Tragik geprägt. Von 1875 bis 1877 verlor Dvorak drei seiner Kinder, was möglicherweise ein wesentlicher Antrieb war, sich mit dem „Stabat Mater“-Gedicht zu befassen und schließlich eines seiner bedeutendsten Werke zu vollenden.
Die Sängerinnen und Sänger des Chores lieben dieses Werk und werden es auf einem hohen Niveau präsentieren. Begleitet wird Audite Nova von einem renommierten deutschen Profiorchester und hervorragenden jungen Solisten (Jonas Jud z.B. ist 1997 geboren), die bereits eine internationale Karriere vorzuweisen haben.

Nur drei Monate nach «A Ceremony of Carols» bereits Dvořáks «Stabat Mater» aufführen zu können, klingt nach einer Herausforderung. Wie schafft es der Chor Audite Nova Zug in so kurzer Zeit ein grosses Werk zur Konzertreife zu bringen?
Es ist ein Vorteil, dass der Chor das Werk bereits 2020 einstudiert hat. Allerdings sind seitdem vier Jahre vergangen. Die Besetzung hat sich verändert und einige Sänger:innen müssen das Werk neu lernen. Dazu kommen Änderungen wie die lateinische Aussprache und andere Tempi. Der Chor brauchte etwas Zeit, um sich an die Musik zu erinnern, was zu Beginn zu einigen amüsanten Momenten führte. Ich versuche, die kurze Probenzeit so effizient wie möglich zu nutzen. Die Proben seit Januar sind daher sehr intensiv, aber es bereitet allen große Freude, da die Konzerte in greifbarer Nähe sind.

Bisher hattest du kleinere Ensembles und Chöre geleitet. Mit rund 100 aktiven Sängerinnen und Sängern gehört der Chor Audite Nova Zug zu den grössten Chören in der Zentralschweiz. Was war neu für dich bei der Leitung eines so grossen Chors?
Mein Gehör musste sich zunächst an die grösseren Register gewöhnen. Ansonsten ist die Arbeit im Wesentlichen gleich. Eine grosse Herausforderung ist das Lernen der Namen. Ich kenne noch längst nicht alle Sänger:innen mit Namen;)

Wie unterscheidet sich die Arbeit mit einem professionellen Chor von der mit einem Laienchor?
Die Vorbereitung und die Methoden bei der Einstudierung sind ähnlich. Jedoch unterscheidet sich der zeitliche Rahmen der Einstudierung erheblich.
Mit professionellen Ensembles beginnt man in der Regel (mit Ausnahme von szenischen Aufführungen) nur wenige Tage oder höchstens wenige Wochen vor den Aufführungen mit der Arbeit. Die Probezeit ist sehr kostspielig. Im Gegensatz dazu sieht die Jahresplanung bei Amateurchören in der Regel einen Zeitrahmen von einem halben bis selten zwei Jahren vor.
Laienchorproben finden aus beruflichen Gründen meistens an Werktagen abends statt, während mit Profis auch morgens und nachmittags geprobt werden kann, was ich persönlich sehr schätze. Mit einem Laienchor hat man sozusagen erst nachts „Feierabend“.
Ein Profi beschäftigt sich fast täglich mit seiner Stimme, wodurch man ohne Einsingen direkt in die Musik einsteigen kann. Ein Laie (den Begriff mag ich nicht sonderlich) hat im besten Fall einmal in der Woche Stimmbildung und ansonsten nur eine wöchentliche Probe. Daher sind das Einsingen und die stimmliche Unterstützung in der Probe sehr wichtig. Bei Profis ist es mir ein Anliegen, bei bis zu 6 Stunden Proben täglich möglichst effizient zu arbeiten, um die Sänger:innen stimmlich zu schonen.
Sowohl Laien als auch Profis lieben Musik und möchten eine schöne gemeinsame Zeit verbringen. Eine weitere Gemeinsamkeit: man hat nie zu viel Einstudierungszeit;)

Durch dein Engagement an der Zuger Singschule arbeitest du viel mit Kindern und Jugendlichen. Welche Erfahrungen aus der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen sind besonders wertvoll für die Arbeit mit Erwachsenen?
Die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und auch das Wissen aus dem Schulmusikstudium sind für mich allgemein sehr wertvoll für die Leitung von Erwachsenenchören. Auch Erwachsene mögen kurzweilige und lustvolle Proben. Besonders spielerische Elemente und Bewegung werden geschätzt.

Viele, wenn nicht sogar fast alle Erwachsenen-Laienchöre sind stets auf der Suche nach Nachwuchstalenten, die sich langfristig im Chor engagieren. Wie möchtest du dazu beitragen, junge Sängerinnen und Sänger dazu zu begeistern, beim Chor Audite Nova Zug mitzusingen?
Die Chorwelt verändert sich schnell. Leider habe auch ich keine Geheimrezepte. Über die Auswahl der Literatur kann ich sicher dazu beitragen, jüngere Sänger:innen anzusprechen. Konkret meine ich in den Konzertprogrammen Literatur zwischen Avantgarde und Kitsch und im Repertoire in den wöchentlichen Proben auch Musik aus dem Bereich Pop.

Wann und wie hast du für dich das Singen entdeckt? Was hat den Ausschlag gegeben, dass du dich dafür entschieden hast, Gesang zu studieren?
Meine ersten Gesangserfahrungen machte ich als Knabensopran in den Kinderchören der Musik-Akademie Basel. Gepackt hat mich die Chormusik, als ich im Gymnasium unter tollen Schulmusikern und Chorleitern singen durfte.
Mein letzter Master Gesang war in meinen Augen der einzige verbleibende Studiengang, der mein Curriculum als Dirigent und Chorleiter am sinnvollsten ergänzen konnte.

Ein Blick in die Zukunft: Mit der Aufführung von Joby Talbots „Path of Miracles“ mit dem Ensemble Voxus hast du dir im Herbst 2023 einen Wunschtraum erfüllt. Gibt es einen Wunsch, ein Werk oder ein Projekt, das du gerne mit dem Chor Audite Nova Zug verwirklichen und dem Konzert-begeisterten Publikum in Zug präsentieren möchtest?
Da gibt es einige Werke, Näheres möchte ich dazu aber noch nicht verraten. Es soll auch für den Chor eine Überraschung sein;)

Vielen Dank!

Iso Christl für den Chor Audite Nova Zug

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