Audite Nova
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14.02.2015

Eindrücke vom SFEC-Wochenende 2015 mit Simon Halsey

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Schwer zu sagen, wer der Star war am Wochenende vom 16.-18. Januar: Das frisch verschneite Ägerital oberhalb von Zug, wohin die SFEC eingeladen hatte; die 350 aus allen Gegenden der Schweiz angereisten Choristen und Dirigenten; die ideale Infrastruktur – Meisterkurs, Choratelier, Konzertraum, Mahlzeiten- und Festraum, Unterkünfte – innerhalb von wenigen Gehminuten!; die zwanzigstufige Chorbühne in der Pfarrkirche – oder der aus London angereiste Simon Halsey. Natürlich war er es, aber die Sterne leuchteten auch aus den Augen der sechs nach Probedirigaten ausgewählten jungen ChorleiterInnen, die am Freitag und Samstag mit ihm arbeiten durften. Ihr Übungschor war das 28-köpfige Ensemble Leonardo, das sich nach Abschluss des Meisterkurses in das Choratelier eingliederte und im Konzert die Solopartien in der Messe in D-Dur für Orgel und Chor von Antonin Dvořák sang. Diese Messe bildete den zweiten Teil des Schlusskonzertes vom Sonntag. Im ersten waren  zu hören Willy Burkhards „Kleiner Psalter, op. 82“, a-cappella dargeboten vom Ensemble Leonardo unter Nicolas Fink, sowie fünf geistliche und weltliche Lieder vom Chor Audite Nova Zug unter Johannes Meister. Die Organisation lag in den Händen eines aus dem gleichnamigen Chor gebildeten OK, die Gastronomie war den Zuger Werkstätten für die Begleitung Behinderter (ZUWEBE) anvertraut, und am kleinen Fest vom Samstagabend spielten sieben junge Musiker der Formation „Alpini Vernämlassig“ zum Tanze auf. Kurz: Rahmenbedingungen, die es erlaubten, sich ganz und gar auf den Gesang zu konzentrieren.

Aus Stimmen von Teilnehmenden war zuvorderst und unisono zu entnehmen das Erleben eines weltbekannten Chorleiters mit grossem pädagogischen und methodischen Geschick, viel Humor und einer natürlichen, bescheidenen Art. Seine intensive Chorarbeit mit vielen praktischen Tipps für Chorleitende (Gestaltung, Experimente mit  Chorklang und -farben, Tempofragen, Hervorrufen von Bildern etc), wie auch seine Aufforderung, Fragen zu stellen zu Herkunft, Thema, Aussage einer Musik und danach zum genauen Hinhören, waren fordernd und erfrischend zugleich. Darüber hinaus bleiben in Erinnerung das „spezielle Feeling“, in einem 300köpfigen Chor zu singen, und nicht zuletzt die bereichernden Begegnungen mit andern Chorleitenden, Sängern und Sängerinnen.

Doch lassen wir Simon Halsey selbst noch zu Wort kommen. In einer Meisterkursstunde erwähnte er beiläufig, dass vor 15 Jahren, als er beim Berliner Rundfunkchor begann und dieser jeweils für Aufführungen mit den Berliner Philharmonikern beigezogen wurde, das Orchester die Haupt- und der Chor eine Nebenrolle spielte.  Heute – er verwendet das Wort revolution für diesen Wandel – ist der Chor derart präsent, dass es nun eher das Orchester sei, das mitspiele… (Gewiss hat das auch zu tun mit der fruchtbaren Zusammenarbeit mit Simon Rattle. Beide haben ihre Klangkörper – das Orchester, den Chor – buchstäblich beseelt.)  Wie kann das gelingen? Wenn Orchester- und Chorleiter sozusagen selber „Musik sind“ und das auf ihre Musikergemeinschaft zu übertragen versuchen durch Wertschätzung, Klarheit und Präsenz. Simons Worte sind stets  eingebettet in ein inneres Lächeln – aus Sympathie mit dem Schöpfer der Musik, aus Sympathie mit den Menschen, welche die Musik aus sich heraus zum Klingen bringen, sie aus der eigenen Tiefe heraufholen und dabei zu staunen beginnen, wie tief angelegt sie selber sind. Das Piano im „Dona nobis pacem“ der Dvořák-Messe sei „privat“ zu singen, meint er, und fährt fort  „… und so zart wie wenn Sie Geige spielen würden“, und er schliesst die Augen, hebt den linken Arm hoch und mit dem rechten führt er den eingebildeten Bogen selbstvergessen hin und her. Er erzählt von einem BBC-Prom-Konzert, wo er die Chorpartien von Brittens War Requiem mit Teenagern einstudiert habe. Nach dem letzten Ton sass das Publikum unbeweglich da. „Wissen Sie wie lange?“ und sein Blick geht fragend rundum. „Two minutes. Zwei Minuten, absolute Stille. Imagine…

(Hanspeter Reichmuth)

Foto: Lukas Wehrli

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