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6.12.2019

Die Stimme in der kalten Jahreszeit

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Die Tage werden kürzer. Wir ziehen uns in die Häuser zurück, geniessen bei Kerzenschein und Tee ein gutes Buch oder haben wieder Zeit für einen Spieleabend. Winterzeit ist auch Konzertzeit. Mit der trockenen, kalten Winterluft ziehen auch die Nebengeräusche mit in den Probenraum. Hier ein Räuspern, da ein Husten…
Die Stimme und die kalte Jahreszeit sind nicht wirklich die engsten Freunde! Die trockene Luft schadet unseren Schleimhäuten und tut ihr nichts Gutes.
Grund genug bei Profis mal nachzufragen, wie sie diese Zeit überstehen.
Wir stellten Gabriela Bürgler und Judith Furrer-Bregy einige Fragen zum Thema Stimme in der kalten Jahreszeit.
Viel Vergnügen beim Durchlesen der Tipps und Tricks.
Was bedeutet Stimme für dich?
Gabriela Bürgler: Das tollste Instrument überhaupt. Ausdrucksmöglichkeit der eigenen Persönlichkeit.
Judith Furrer-Bregy: Meine Stimme ist mein klangliches Spiegelbild. Ich kenne wohl nichts an mir so gut wie sie. Meine Stimme ist eine Klatschbase, deren Klang mir dauernd irgendwas über mich erzählt. Meine Stimme ist ein schonungslos-ehrlicher Seismograph meiner Befindlichkeit. Meine Stimme kann mich himmelhochjauchzend-glücklich machen. Ab und an provoziert sie aber auch ein „inneres Augenrollen“… mein Sensibelchen. Dann will sie nämlich betütelt werden und braucht ihre Portion Aufmerksamkeit wie eine Diva. Am liebsten mag ich, wenn sie warm und wohlig schnurrt wie eine zufriedene Katze.
Ich bin auf sie angewiesen, was dann toll ist, wenn alles läuft wie geschmiert. Und wenn nicht, weiss ich zum Glück, was ich ihr Gutes tun kann.
Ist es die Kälte oder eher die trockene Luft die schadet und was heißt kalt für die Stimme?
G.B. Wohl eher die trockene Luft. Wer nicht erkältet ist, kann in den kältesten Kirchen singen.
J.F-B. Kälte und trockene Luft mag die Stimme, respektive die Schleimhaut mit der die Stimmlippen überzogen sind, nicht. Je nach klimatischen Bedingungen im eigenen geografischen Lebensraum überwiegt die Trockenheit, die Kälte oder gibt es sogar beides – wie im Wallis 😉 Gegen die Kälte kann ich eher etwas unternehmen. Dazu gleich in der nächsten Frage.
Um das Milieu in Rachen und Hals angenehm feucht zu halten, sind verschiedene Faktoren zu berücksichtigen. An erster Stelle steht die Nasenatmung, durch die bei jedem Atemzug die Luft befeuchtet, erwärmt und gereinigt wird. Weiter kann ich mit Luftbefeuchtern, Inhalation (warmes Salzwasser), genügend Trinken und befeuchtenden Bonbons/Pastillen (z.B. Bonbons mit Glyzerin oder einem Hydrogelkomplex wie Gelo Revoice, Halstabeletten von Phytopharma, Isla med, Neo angin protect) für die nötige Befeuchtung sorgen.
Sobald die Temperaturen unter den Nullpunkt sinken, rate ich von sportlichen Betätigungen ab, bei denen intensiv und durch den Mund geatmet wird. Wenn Sie trotzdem im Goms Langlaufferien machen möchten, bitte nur mit Mund-/Nasenschutz auf die Piste.
Wie halte ich die Stimme warm?
G.B. Da würde ich sagen: Schal drumwickeln und summend warmbleiben.
J.F-B. Die Stimme «warmhalten» heisst auch für eine gute Durchblutung der inneren und äusseren Kehlkopfmuskeln und deren Umgebung zu sorgen.
Unterstützen und pflegen Sie ihren Körper durch eine eutone Haltung, ein gesundes Mass an Bewegung und Entspannung, was wohlgespannte Muskeln und Faszien nach sich zieht.
Stimmwärmer von aussen her: ein Halstuch, ein warmer Halswickel etc.
Von innen her: Stimmübungen, warme Getränke etc.
Gibt es spezielle, winterliche Stimm-Übungen? Warmhalteübungen?
J.F-B. Winterliche Stimmübungen oder spezielle Warmhalteübungen kenn ich so nicht.
Pflegen Sie Ihre Stimme schon bevor sie zu kränkeln beginnt. Atmen sie beim Duschen oder im Bad den warmen Dampf tief ein. Nehmen Sie ein warmes Getränk mit zur Probe.
Wenn`s dennoch soweit ist und sich deutliche Symptome melden, nehmen Sie diese bitte ernst. Gönnen Sie sich Ruhe – auch Stimmruhe.
Auf Händeschütteln verzichten und Erkälteten aus dem Weg gehen?
G.B. Wenn möglich. Oder halt Vorsichtsmassnahmen treffen, mit Pülverli und Sterilium?
J.F-B. Dies muss jeder nach seinem eigenen Gutdünken entscheiden. Auf alle Fälle kann häufiges, gründliches Händewaschen beitragen zum gesundbleiben. Ich persönlich sehe bei einer Begegnung mit einem verschnupften Menschen von Begrüssungsküsschen ab.
Darauf verzichte ich im Winter auf keinen Fall!
G.B. Glacé zum Dessert!
J.F-B. Auf meine tägliche Kanne Ingwer- oder Halswohltee.
Auf genügend Schlaf und Bewegung …. wenn nur irgendwie möglich.
Auf meine Stimmübungen, die wie Zähneputzen zum Alltag gehören.
Darauf verzichte ich im Winter auf jeden Fall!
G.B. Draussen rumrennen und länger kalte Luft einatmen.
J.F-B. Auf langes Stehen/Sitzen im Schnee oder auf kaltem Boden.
Auf sportliche Aktivitäten bei tiefen Minustemperaturen.
Auf Thermosohlen in den Konzertschuhen 😉
Es ist bereits zu spät. Der Husten hat mich voll erwischt. Trotzdem an die Probe und versuchen mitzusingen? Mitsummen? Mithören?
G.B. Mithören und -lesen und Notizen machen. In genügendem Abstand der anderen sitzen und Tee mitbringen. Ist doch auch schön!
J.F-B. Es kommt ganz darauf an, ob sich ein Schnupfen resp. eine Entzündung der oberen Atemwege installiert hat im Körper, oder eine Halsentzündung mit Heiserkeit vorliegt.
Wenn «nur» die Nase zu ist und der Schädel brummt, kann problemlos mitgesungen werden. Sobald die Stimme (auch durch starkes Husten) in Mitleidenschaft gezogen wird oder sich Anzeichen von Heiserkeit zeigen, rate ich ab vom Singen in der Gruppe. Auch das Summen im Chor kann nicht im gleichen Mass kontrolliert werden, wie zu Hause in den eigenen vier Wänden. In dem Fall bitte nur Mithören. Und falls die Stimme mal total weg ist, auch Letzteres nicht mehr! Die Stimme braucht dann einfach nur noch Ruhe und Erholung, die sie nicht bekommt, wenn Sie in eine Probe reinsitzen.
Nun habe ich so lange geprobt und will auf jeden Fall das Konzert mitsingen! Sinnvoll?
G.B. Das soll jeder für sich entscheiden. Allenfalls macht es auch Freude, mal den eigenen Chor zu hören mit Musik, die einem sehr vertraut ist.
J.F-B. Auch hier gilt wieder: hat sich der Infekt in den oberen Atemwegen eingenistet, und ist die Stimme somit frei, können Sie bedenkenlos mitsingen. Ist die Stimme angeschlagen, kommen IMMER kompensatorische Verhaltensweisen zum Einsatz – insbesondere beim Singen in der Gruppe. In diesem Fall rate ich dringend ab, Konzerte zu singen. Ich erlebe immer wieder, dass genau in Endphasen vor oder beim Singen von Konzerten die Stimme nachhaltig geschädigt wird.
Denken Sie bitte an die vielen schönen Projekte, die noch vor Ihnen liegen und Sie bestimmt mit einer gesunden, wohlklingenden Stimme geniessen möchten.
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