Aktuell
28.08.2019

Stimmen aus dem Chor:
Tenor Axel Gümpel

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Eine Registerfrage?

Ungefähr 4 Jahre ist es her, als in meinen Briefkasten in Bern ein Flyer flog. Aha: Ein neuer Kebab-/Pizzaservice oder ein weiterer dubioser Spendenaufruf, habe ich erst angenommen. Doch nichts dergleichen… ein grosser Berner Konzert-Projektchor hat zum „Schnuppern“ eingeladen, inclusive einiger Stunden Stimmbildung. Unglaublich, dieser Wink mit dem Zaunpfahl, denn schon länger hatte ich mich mit dem Gedanken getragen, viel mehr Zeit mit Musik zu verbringen. Ein Jahr zuvor hatte ich schon begonnen, Klavierstunden zu nehmen.

In einem Chor zu singen war wegen diffuser Vorbehalte bzw. Vorurteile (strenges kirchliches Repertoire, langwieriges Herumsitzen in Proben, etc.) bis dahin noch gar nie in meinem Fokus.
Das Angebot der Stimmbildung hat mich letztlich davon überzeugt, diesen Flyer als ganz deutliche Aufforderung zu verstehen, jetzt endlich aktiv zu werden.

Die Stimmbildungssessions in einer Gruppe von 6 Personen haben riesigen Spass gemacht. Jede und jeder konnte ein kleines Stück selbst vorbereiten und vortragen, mit anschliessender Kritik.
Dass sich mir einmal eine solche Gelegenheit bietet, habe ich sehr genossen. Daraufhin habe ich gleich Gesangsunterricht bei der gleichen Musiklehrerin genommen und bin mit zwei weiteren Teilnehmern dem Chor beigetreten.

Der Chorleiter hat mich auf Vorschlag der Gesangslehrerin dem Bassregister zugeordnet. So habe ich mein erstes Projekt in der Französischen Kirche in Bern als Bassist gesungen. Nicht etwa ein strenges, sondern ein sehr tief unter die Haut gehendes kirchliches Stück: Joseph Haydn „Die sieben letzten Worte“. Das hat ganz stark zum Abbau von Vorbehalten beigetragen.

Ihr wisst alle selbst sehr gut, welche glücklichen Empfindungen durchlebt werden an diesen Auftritten, mit von genialen Meistern komponierten Werken, in herrlichen historischen Gemäuern, vor grossartigem Publikum, das gern die gesungenen Botschaften und Gefühle aufnimmt. Man braucht nachher immer eine Weile, bis man sich von den Stücken lösen und Neuem zuwenden kann.

Nicht nur neuen Stücken habe ich mich nachher zugewandt, sondern auch einem neuen Chor – und einem neuen Register. Das Leben hatte mir plötzlich einen Platz in der Zentralschweiz zugewiesen. Meine liebe Lebensgefährtin hat mich eines Montags an eine Chorprobe mit dem „Chor Audite Nova Zug“ in die Aula Hertie mitgenommen. Dort wurde gerade begonnen, ein mir völlig unbekanntes Stück einzuüben: Ein Requiem von John Rutter …

In den Noten habe ich wie üblich gewissenhaft sämtliche Bassstellen mit Leuchtstift markiert und schon damit begonnen, mir einige Stellen einzuprägen. Das obligate Vorsingen bei Johannes verlief erfolgreich. Später wurde ich zu meiner grossen Freude in den Chor aufgenommen. Welches Chormitglied mich dazu ermuntert hat, mein Glück im Tenor zu versuchen, weiss ich noch genau. Es hat diesen kleinen Anstoss gebraucht, um dem manchmal glorifizierten Register „Tenor“ beizutreten. Die Rutter-Partitur war schon mit Basskommentaren übersät, also musste eine neue für den Tenor her …

A propos Chor Audite Nova Zug: Von langweiligem Herumsitzen (ein früherer Vorbehalt) ist nichts zu spüren. Unser Chorleiter gestaltet die Proben sehr lebendig – oft mit vollem körperlichen Einsatz – und seine grossartige Kompetenz ist immer spürbar.

Es sind die Kameradschaft im Chor, die fachlichen Diskussionen und gegenseitige Unterstützung sowie der engagierte Einsatz aller Sängerinnen und Sänger mit dem immer spürbaren Willen, das Bestmögliche zu geben, welche jede Probe zu einem kurzweiligen Lehrstück machen. Ein Lehrstück hinsichtlich Musikverständnis, dem Umgang miteinander, dem eigenen Vermögen.

Die Registerfrage Bass oder Tenor spielt dabei keine Rolle.

Axel Gümpel

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