Audite Nova
Aktuell
25.02.2017

Chrööpfelimee – ein Zuger Brauch wird UNESCO-Weltkulturerbe

Weiterempfehlen
> per E-Mail senden

2017 findet das Chrööpfelimee-Singen am Sonntag, den 5. März, von 17.30 bis 23 Uhr statt. Mitglieder des Chors Audite Nova Zug singen traditionellerweise in verschiedenen Formationen mit. Die grösste Konzentration findet sich im „Chrütli-Chor“ unter der Leitung von Olaf Reichelt.

Romantik, Verspieltheit und Freude sind die Gefühle, die sich mit dem Zuger Brauch des Chrööpfelimee, das jeweils am Sonntag nach Aschermittwoch, der sog. Herrenfasnacht, stattfindet, verbinden. Die Szenerie in der Zuger Altstadt ist geprägt durch den Gesang verschiedenster, meist kostümierter Gruppen, die sich vor dem geschmückten, mit einem roten Licht beleuchteten Fenster eines jung vermählten Paares versammeln und diesem und seinen Gästen ein kurzes Ständchen bringen, wofür als Belohnung traditionellerweise Gebäck und Wein winken.

Nachforschungen haben ergeben, dass sich die Anfänge dieses nur in der Stadt Zug bekannten Brauchtums im 18. Jahrhundert ansiedeln lassen. Ein Freundeskreis nimmt symbolisch Abschied von einem Mitglied, das sich demnächst verheiraten und so der angestammten Gruppe verloren gehen wird. Neben der Neugier der Freunde, die Auserwählte kennen zu lernen, soll mit dem Gesang nochmals das gemeinsame Ritual gepflegt werden, wobei gleichzeitig die Fähigkeiten der Braut als Gastgeberin geprüft werden können. Wein zu beschaffen, war kein Problem, wurden doch damals in der Stadt Zug an mehreren Orten Reben angebaut, wovon einzelne Orts- und Flurnamen bis heute Zeugnis ablegen. Als Obstkanton verfügte Zug auch über die Zutaten (Birnen, Zwetschgen) zum Gebäck, die seinen Geschmack versüssen. Nach dem Gesang lud das gefeierte Paar die Freunde zu sich ein, um das Ereignis gebührend zu feiern.

In der „guten alten Zeit“ lag die Anbahnung von Liebesbeziehungen bei den Erwachsenen. Oft bestimmten Familien bei der Geburt eines Kindes oder in dessen ersten Lebensjahren über die zukünftige Verbindung. Eine andere Variante bot der Staat, indem die Jugend an ausgewählten Sonntagnachmittagen eingeladen wurde, sich unter der Aufsicht der Obrigkeit in der Tanzlaube im Rathaus zu treffen. Der Luzerner Komponist Johann Baptist Hilber setzte dem Brauch im letzten Jahrhundert mit einem eigenen „Chrööpfelimeelied“ ein Zeichen. Der Text beginnt mit dem Erlebnis eines Tanzes, an dessen Ende das Mädchen unauffällig, aber doch mit Absicht sein Taschentuch fallen lässt, worauf der Tanzpartner ebenso unauffällig dieses aufhebt und später der jungen Frau wieder zurückbringt.

Die Form des Brauches hat sich im Lauf der Zeit verändert, was massgeblich zu dessen Weiterbestehen beiträgt. So gibt es Belege, dass zeitweise neben dem Gesang auch blasmusikalische Elemente den örtlichen Brauch bereichert hatten. In der politisch heissen Phase der Spannungen zwischen Konservativen und Liberalen, die 1847 im schweizerischen Bürgerkrieg, dem Sonderbund, ihren Tiefpunkt fanden, gab es in Zug einen Prozess gegen Sänger und Musikanten, die am Abend des „Chrööpfelimee“ einem ungebetenen Gast im Hotel Ochsen ein Ständchen, ein sog. Charivari „Katzenmusik“, dargebracht hatten. In der Anklage verteidigten sich die Angeschuldigten, dass sie erwartet hätten, der auswärtige Gast hätte sich zuvor über das örtliche Brauchtum informiert.

Das Wachstum der Stadt erweiterte einerseits den Kreis der Freundschaften, führte aber zugleich auch zu mehr Anonymität. Die Sängertradition, die in Zug mit der Gründung des Männerchors 1835 ihren Anfang genommen hat, übertrug sich auch auf die Trachtengruppe der Stadt Zug, die während Jahrzehnten für die Durchführung des Chrööpfelimee verantwortlich war. Seit 2008 liegt die Organisation des Anlasses, der stets viel Publikum anzieht, in den Händen der löblichen Zunft der Schneider, Tuchscherer und Gewerbsleute der Stadt Zug. 2012 erhielt der Zuger „Chrööpfelimee“- Brauch durch das Bundesamt für Kultur die Auszeichnung als immaterielles UNESCO-Weltkulturerbe.

Dr. Christian Raschle, Mitgründer und erster Präsident des Chors Audite Nova Zug

Scroll To Top